Veranstaltung „Maßregelvollzug in Berlin – Herausforderungen, Probleme, Perspektiven“ am 31.03.2025

Von | 7. April 2025

Am 31.03.2025 lud die Berliner Gesellschaft für Soziale Psychiatrie zur Veranstaltung „Maßregelvollzug in Berlin – Herausforderungen, Probleme, Perspektiven“ ins Pinellodrom. Erfreulicherweise traf das Thema auf große Resonanz, es kamen über 100 Interessierte, so dass kurz vor Beginn noch weitere Stühle organisiert werden mussten.  Durch den Nachmittag führte der Moderator Burkhard Plemper. Nach der Begrüßung und einer kurzen Einführung durch Christian Reumschüssel-Wienert spannte Matthias Rosemann in seinem Vortrag den Bogen von den Anfängen des Berliner KMV bis zur heutigen Situation. In einem weiteren Vortrag berichtete die Rechtsanwältin Frau Dr. Kersten Woweries von ihren ernüchternden beruflichen Erfahrungen mit der Justiz, nicht ohne auch Verbesserungsvorschläge anzubringen. Dr. Friedhelm Schmidt-Quernheim weitete den Blick über die Berliner Landesgrenzen hinaus auf die bundesdeutsche Forensik und lenkte die Aufmerksamkeit auf Strukturen und Maßnahmen, die sich zur Verbesserung des KMV bewährt haben. Nach den fachlichen Inputs kam zunächst die Mutter eines KMV-Patienten zu Wort, die das Publikum mit ihrem Bericht über die Zustände im Berliner KMV bewegte. Neben einer Kontaktsperre in den ersten Monaten des Aufenthaltes ihres Sohnes zählt sie weitere Missstände auf. So sei ihrem körperlich beeinträchtigten Sohn u.A. eine moderne Prothese verweigert worden. Eindrücklich waren zudem die vorgelesenen Statements von Patienten, die sich momentan im KMV befinden. Sie berichten von Monotonie, den Aggressionen der Mitpatienten und nicht stattfindender Therapie.

Der kurzen Pause mit Brezeln und Getränken schloss sich eine Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Norbert Konrad (Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie an der Charité), Norma Kusserow (Landesbeauftragte für psychische Gesundheit), Dr. Julia Krebs (seit Januar Ärztliche Leitung Krankenhaus des Maßregelvollzugs Berlin), Matthias Rosemann (BGSP) und Catherina Pieroth (MdA, DIE GRÜNEN) an. Die Diskussion mündete in zahlreiche konkrete Vorschläge:

  • Aufbau zusätzlicher forensisch-psychiatrischer Ambulanzen, um Rückführungen aus dem Maßregelvollzug besser zu begleiten und Rückfälle zu vermeiden.
  • Förderung multiprofessioneller Zusammenarbeit, u.a. zwischen Justiz, Psychiatrie und Eingliederungshilfe, um Vermeidung von Unterbringungen nach §63 StGB durch frühzeitige Interventionen zu ermöglichen.
  • Investitionen in Wohnraum für entlassene oder ambulant zu betreuende forensische Patient*innen – insbesondere durch landeseigene Wohnungsunternehmen.
  • Anreize für Fachkräfte, etwa durch finanzielle Zulagen, bessere Arbeitsbedingungen und fachliche Entwicklungsmöglichkeiten.
  • Stärkere gesellschaftliche Aufklärung, um Vorurteile gegenüber forensischen Patient*innen abzubauen. Einvernehmlicher Tenor war, dass es sich um kranke Menschen handelt, die Anspruch auf angemessene Behandlung und Teilhabe haben.
  • Evaluation der rechtlichen Praxis, insbesondere im Hinblick auf die gestiegene Zahl von Unterbringungen. Es wurde diskutiert, ob Menschen schneller in den Maßregelvollzug eingewiesen werden, weil andere Versorgungsformen fehlen.

Es wurde deutlich, dass sich im KMV Berlin strukturelle, personelle und konzeptionelle Mängel gegenseitig verstärken. Es herrschte Konsens darüber, dass eine Reform notwendig ist, die mehr als nur bauliche Maßnahmen umfasst: Ein Paradigmenwechsel in Richtung einer menschenrechtsbasierten, modernen und vernetzten Forensik sei erforderlich. Dabei ist der gesamte Senat einschließlich des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner in der Verantwortung.